Marion Strunk
Etwas Süsses und Schäumendes *
Ich bin eine Büste, vierzehnfach gegossen aus Schokolade oder Seife.
Sieben und sieben. Für eine ganze Befindlichkeit verweise ich auf den Körper und sein Gesicht. Ein Brustbild ohne Brüste, sinnbildlich sinnlich.
Mit geschlossenen Augen nach innen fühlend, lösen sich die Bilder auf, eben noch Eisen, Stein oder Bronze – verflüchtigt sich alles in einem Hauch von Kakao. Schnuppert, aber leckt nicht!
Einen Leckerbissen, ach, wer hätt’s nicht gern. Lecker! Lecker!
Wer hat Blut geleckt? Blut im Schuh. Das Kinn ist weggeschleckt, Mund und Ohren aufgeschreckt.
Lutschen, rutschen in Haut und Haar.

Wer bin ich? In dieses Bild will ich nicht passen, jenes hat sich schon verflüchtigt.
Am liebsten gingen meine Füsse aus der Zeit. Schmeckt’s? Ich hab’ dich zum Fressen gern. Aber nur die Schokoladenseite. Einen Scholar nennt man den Vagabund; den kriegt keiner, auch nicht im Schoko-Laden.
Eine Zunge fährt der Wange nach, als wäre sie auf der Achterbahn.
Blinzelt ein Auge? Nein. Es geht nicht ins Auge.
Und an der Wand steht: Nicht berühren, bitte!, fein säuberlich, schwarz auf weiss, auf einer Karte.
Schokolade ist nicht nur zum Naschen da, aber Seife zum Waschen.
Die einen stehn im Dunkeln, die anderen stehn im Licht, doch an denen im Licht wäscht sich keiner die Finger wund. Immer hat irgendeiner oder – eine ihre Finger im Spiel und macht sich schmutzig.
Da könnte sich jemand verbrennen. Was denn? Den elften Finger.
Wer wird denn den Finger strecken und auf die Finger klopfen, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden.
Lieber um den Finger wickeln?
Also, leichtgemacht wird nichts. Das hier ist Kernseife.
Lick and Lather / lecken und schäumen.
Seifenwasser ist ein ganz besonderer Saft. Vorsicht, nicht verwässern!
Vom Verschwinden der Körper ist nicht die Rede.
Vielleicht vom Auflösen, vielleicht vom Verschleiern im Bade.
Eine Seifenblase? Ich weiss es nicht.
Die Körper bleiben, doch. Jedenfalls stehen sie da, klassisch auf den Sockeln wie bei einer Parade an Feiertagen von den Ahnen in eine Reihe gestellt. Zum Lachen oder Erschrecken.
Nach innen führt der geheimnisvolle Weg. Waschecht. Nur nicht in der Seifenoper.
Die Erfahrung. Das Erlebnis. Jetzt.
Ein süsses Düftchen liegt im Lüftchen, wenn das Parfüm in die Nase kommt. Seifenkakao und Kakaoseifen. Just for fun, schön, hässlich und alles andere.
Ich bin nicht zu deinem Bilde da, bilde dir das nicht ein.
Du hast in fataler Weise dein Leben geschont, als es um die Liebe ging.
Du hast die Bewegung vermieden, von der man selbst bewegt wird.
Ich bin da: Ich bin viele. Das steht fest.
Ein Standbild zu sein, interessiert mich nicht. Ich möchte dazwischen sein und mittendrin. Wie es mir gefällt.
Wirklich: Einseifen lasse ich mich nicht. Ich bin keine Büste.
Wie Seife werde ich dir aus den Fingern schlüpfen.
Vorbei, vorüber. Berühren bitte.
* Zu: Janine Antoni, Lick and Lather, 1994 (je sieben Büsten aus
Schokolade bzw. Seife, Installation Sandra Gering Gallery, New York).
veröffentlicht in: KURSIV, Entschleunigung, O.Ö.Kulturzeitschrift LINZ, 3-4/1996
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